Frankreich verbietet „Fleischbezeichnungen“ für pflanzliche Produkte und Deutschland zieht nach? – Bio-Hersteller reagieren entsetzt.

Veggie-Unternehmen fordern die Politik auf, endlich Verantwortung für das Erreichen der Klimaziele zu übernehmen und den Zugang zu Fleisch-, Fisch- und Milchalternativen zu vereinfachen 

 

Augen zu und durch – da scheint sich die Politik einig zu sein. Während die Welt das größte Artensterben seit den Dinosauriern1 erlebt, bewegt sich die Politik rückwärts: Frankreich will Begriffe wie „Tofuwürstchen“ verbieten – und Verstöße mit Strafen bis zu 300.000 Euro ahnden! Ein klarer Vorstoß der Fleisch-Lobby: Der Abgeordnete, der den entsprechenden Antrag eingebracht hat, ist selbst Rinderzüchter.2 Etablierte Begriffe wie etwa „Steak“, „Salami“, „Saucisse“ oder „Merguez“ sollen für Veggie-Produkte verboten werden – egal, ob „végé“, vegetarisch oder ähnliche klare Kennzeichnungen den Bezeichnungen voranstehen. Auch deutsche Hersteller, die nach Frankreich exportieren, wären davon natürlich betroffen. 

In Deutschland selbst arbeitet die Lebensmittelbuchkommission im Stillen an einer ähnlichen Regelung. Hintergrund für das Zusammenkommen der Kommission ist ein Antrag der CDU/CSU und SPD gemeinsam mit verschiedenen Verbänden unter anderem der Fleischindustrie und dem deutschen Bauernverband mit der Begründung, dass fleischähnliche Begriffe den Verbraucher auch dann über die Beschaffenheit täuschten, wenn die Begriffe „pfanzlich“, „vegan“ oder „vegetarisch“ vorangestellt seien. Eine repräsentative Umfrage3 des Verbraucherzentrale Bundesverbandes e.V. zeigt jedoch, dass sich nur 4 Prozent der Befragten jemals vergriffen haben, also schon einmal versehentlich statt eines tierischen ein pflanzliches Lebensmittel gekauft haben – oder umgekehrt. Die Gesellschaft für deutsche Sprache meint zur Debatte: „Als Fazit könnte man sogar anführen, dass die Spezifizierung ‚vegane‘ Wurst nicht zur Irreführung, sondern im Gegenteil zur Klarstellung dient […] Um kenntlich zu machen, welchen Geschmack der Verbraucher erwarten darf, helfen die ergänzten Originalbezeichnungen: Wer etwa vegane Leberwurst kauft, kann somit davon ausgehen, dass der Geschmack dem von ‚echter‘ Leberwurst nahekommt – das Attribut verweist jedoch unmissverständlich darauf, dass die Inhaltsstoffe frei von tierischen Produkten sind.“4 Die gängige Praxis, pflanzliche Alternativprodukte mit Begriffen, die herkömmlich für tierische Produkte genutzt werden, zu kennzeichnen, führt also nicht zu Fehlkäufen oder Irreführungen, sondern dient im Gegenteil zur Klarstellung. 

Matthias Beuger, Geschäftsführer von Vegorganic e.V., weist darauf hin, dass die Massentierhaltung durch die Erzeugung klimaschädlicher Treibhausgase massiv zur globalen Erwärmung beiträgt – ungebremst würde dies zwangsläufig in die Klimakatastrophe führen. Experten stellen schon lange heraus, dass die Erderwärmung nicht zu begrenzen ist, wenn die Fleisch- und Milchproduktion sowie der Konsum dieser Produkte nicht eingedämmt werden kann. Hinsichtlich des Klimawandels stellte eine Studie der Vereinten Nationen bereits im Jahr 2010 fest: „Eine wirkliche Verringerung der Auswirkungen wäre nur mit einer grundsätzlichen, weltweiten Ernährungsumstellung möglich, weg von Tierprodukten.“5 Laut einer aktuellen Studie der Heinrich-Böll-Stiftung6 produzieren die 20 größten Milch- und Fleischkonzerne der Welt mehr klimaschädliche Treibhausgase als die Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik Deutschland. 2 

„Der Umstieg auf eine überwiegend pflanzliche Ernährung bietet neben effektivem Klimaschutz auch gesundheitliche Vorteile und kann das Gesundheitssystem entlasten“, meint der Ernährungswissenschaftler Prof. Dr. Markus Keller von der Fachhochschule des Mittelstands. So zeigen die vorliegenden epidemiologischen Studien, dass Vegetarier und Veganer ein verringertes Risiko für ernährungsmitbedingte Erkrankungen wie Übergewicht, Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen aufweisen. „Der aktuelle Fleisch- und Wurstkonsum ist in praktisch allen Ländern Europas zu hoch. Gesetzesvorhaben wie die in Frankreich schützen Bereiche des Lebensmittelmarktes, die aus ernährungsphysiologischer Sicht nicht mehr gefördert werden dürften.“ 

Gemeinsam mit vielen großen Unternehmen aus der Bio-Branche wie Govinda, Vitam, Topas, Purvegan, Happy Cheeze und Taifun Tofu fordert der Verein Vegorganic die Politik auf, sofortige Maßnahmen für einen Umstieg auf ökologische Landwirtschaft und die Förderung pflanzlicher Ernährungsstile zu ergreifen. 

Das Bestreben der Deutschen Lebensmittelbuchkommission, die Vermarktung pflanzlicher Alternativen zu erschweren, muss eingestellt werden! Gefordert wird außerdem eine verbraucherfreundliche Kennzeichnung auch im bereits beschränkten Bereich von Milch- und Käsealternativen, wie zum Beispiel die Zulassung von Bezeichnungen wie „Cashew-Käse“ und „Sojamilch“! 

1 http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/tiere/wwf-das-groesste-artensterben-seit-dem-ende-der-dinosaurier-15359814.html.

2 https://ze.tt/bis-zu-300-000-euro-strafe-frankreich-verbietet-begriffe-wie-tofuwuerstchen/.

3https://www.vzbv.de/2017/02/15/meinungen_zur_kennzeichnung_von_lebensmitteln_080615.pdf

4 https://gfds.de/es-geht-um-die-wurst

5 „A substantial reduction of impacts would only be possible with a substantial worldwide diet change, away from animal products“ (UNEP: Assessing the Environmental Impact of Consumption and Production. Priority Products and Materials, 2010, S. 82); mehr Daten und Fakten zum Thema: http://www.wheaty.com/de-alt/futurefood/teil-1/.

6https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/massentierhaltung/massentierhaltung_fleischatlas_2018.pdf